Für die Ernte braucht es Frost und Sonne
Das schafft was weg: Achteinhalb Meter ist die Schnittbreite des Mähwerks, das mit hohem Tempo die erntereifen Hanfstängel schneidet. Anschließend werden sie ins Schwad gelegt und zu großen Ballen gepresst.
Den Anblick ist man im landwirtschaftlich geprägten Landkreis Heidekreis gewohnt. Doch der Zeitpunkt, mitten im kalendarischen Winter, dürfte für viele Autofahrer, die am Dienstagnachmittag auf der Kreisstraße Neuenkirchen – Bommelsen unterwegs waren, überraschend gewesen sein: große Quaderballen, etwa zwei Meter lang und um die 300 Kilogramm schwer, lagen verteilt auf einem von Landwirt Claas von Frieling bewirtschafteten Acker – wie man es von der Getreideernte im Sommer kennt. Doch hier handelte es sich nicht um Stroh, sondern um Winterhanf, zu mächtigen Paketen gepresst, die mit dem Frontlader auf Ackerwagen geladen und zur wettergeschützten Zwischenlagerung in eine Hofscheune gebracht wurden. Demnächst werden sie per Lkw ins brandenburgische Dabergotz transportiert, wo sie in einem Werk der Firma Felde Fibres zu Textilfasern verarbeitet werden.
Erst einmal die Röste abwarten
Hanfanbau ist ein Nischenprodukt, an das sich erst wenige Landwirte herantrauen, um zu testen, ob es als Alternative zum Getreideanbau oder zur auslaufenden Biogasförderung taugt (BZ vom 15. Oktober 2024: „Neues Standbein: Landwirt aus Gröps setzt auf Hanf“). Als Zwischenfrucht angebaut, entwickelt sich die Pflanze ohne nennenswerten Pflegeaufwand. Die Tücken liegen dann bei der Ernte. Wie beim Getreide im Sommer, muss auch beim Winterhanf das Wetter mitspielen. Um erntereif zu werden, brauchen die Pflanzen richtigen Frost, damit die drei Meter hohen Stängel eine schwarze Färbung bekommen, die sogenannte Röste. Anschließend braucht es Sonne. Nach den zurückliegenden Frosttagen war der richtige Zeitpunkt in dieser Woche gekommen.
Aufgrund der Eigenschaften der robusten Pflanzen sind spezielle Maschinen erforderlich. Einer der wenigen Agrardienstleister, die sich darauf spezialisiert haben, ist Christoph Röling-Müller aus der Gemeinde Sprakensehl. Damit sich die etwa 70 Kilometer entfernte Anfahrt aus dem Landkreis Gifhorn lohnt, müssen ausreichend Flächen zusammenkommen. Dafür haben sich drei Landwirte aus Soltau und Schneverdingen zusammengetan, die als Vertragspartner insgesamt knapp 30 Hektar Winterhanf anbauen. Am Dienstag reiste Röling-Müller mit seinem Ernte-Fuhrpark an, bestehend aus drei mächtigen Schleppern mit insgesamt 650 PS mit achteinhalb Meter breitem Trommelmähwerk, einem Schwader und einer Presse.
Hoffen auf günstigeres Wetter
Der erste Einsatzort war von Frielings Hof, wo insgesamt zehn Hektar abzuernten waren. Nachdem sich die angekündigte Sonne endlich am Himmel blicken ließ, ging es zügig voran. Am frühen Nachmittag war alles abgearbeitet, der Maschinentross fuhr weiter nach Wolterdingen zu Landwirt Lüder Narjes. Doch nach wenigen Bahnen wurde es diesig, Nebel kam auf. Feierabend. Jetzt heißt es erstmal wieder warten auf besseres Erntewetter.
Trotz deutlicher Zuwächse eine Nischenkultur
Hanf war im 17. und 18. Jahrhundert ein wichtiger Rohstoff, geriet aber immer weiter ins Abseits, auch wegen eines Inhaltsstoffs. Man unterscheidet zwischen Nutzhanf sowie Hanf, dessen weibliche Pflanzen insbesondere in den Blüten größere Mengen des berauschenden Inhaltsstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten. Nutzhanf hat nur sehr geringe THC-Gehalte. Mit einer Fläche von 7116 Hektar (+ 1282 Hektar zum Vorjahr) – verzeichnete der Anbau 2024 einen Rekord. Dennoch ist es eine Nischenkultur. Zum Vergleich: Die Anbaufläche von Weizen lag im gleichen Jahr bei etwa 2,7 Millionen Hektar.
Ihr kostenloser Wochenrückblick!
Genießen Sie die aktuellsten Nachrichten aus dem Heidekreis direkt in Ihrem Postfach – ohne lange Suche. Unser Newsletter präsentiert Ihnen sorgfältig ausgewählte Artikel der Woche, übersichtlich und ohne Informationsüberfluss. Mit nur einem Klick bleiben Sie immer auf dem neuesten Stand. Das Beste daran? Es ist völlig kostenlos! Verpassen Sie keine lokalen Highlights und melden Sie sich jetzt unverbindlich an.
300 PS hat der Schlepper, der die große Presse zieht.