„Blues, Roots and Song“ auf dem Theeshof: Luftgitarre, Fangesang und ein Licht im Ohr
Mehr als 1100 Zuschauer haben unterm Fallschirmzelt auf dem Theeshof gerockt. Das Sommerfestival bot einmal mehr beste musikalische Unterhaltung im stimmigen Ambiente.
Das XL-Dach aus Ballonseide, das am Sonnabendabend über dem Schneverdinger Heimathausgelände schwebte, es konnte nur eins bedeuten: „Blues, Roots & Song“ steht wieder auf dem Theeshof an, und das nun schon zum 16. Mal.
Das Open-Air-Konzept mehrerer Bands im stimmigen Ambiente kommt an, davon zeugten die mehr als 1100 Zuschauer der nahezu ausverkauften Veranstaltung. Dabei hat sich das Besucherverhalten seit der Pandemie verändert, wie Dorothee Schröder, Geschäftsführerin des veranstaltenden Kulturvereins Schneverdingen, festgestellt hat. „Die Gäste wollen sich nicht mehr festlegen, sie kaufen eher kurzfristig.“ Sobald das Sturmtief der vergangenen Woche vorübergezogen sei und klar war, dass gutes Wetter ansteht, „haben sie uns die Bude eingerannt.“
Besucher reisen zum Teil von weit her an
Dabei waren die Besucher beileibe nicht nur aus der unmittelbaren Region gekommen – die fruchtbare Kooperation zwischen dem Kulturverein, dem Heimatbund Schneverdingen, den Stadtwerken und einer Supermarktkette hat sich längst bei Rock- und Bluesfans herumgesprochen. Die wohl kurioseste „Mundpropaganda“ führt sogar bis nach Thailand. Dort hatte der Reisejournalist und bekennende Bluessüchtige Joachim van der Linde von einem Taxifahrer den Tipp für die stilübergreifende Veranstaltung bekommen und sich eigens mit Ehefrau und dem mehr als 40 Jahre alten T3 aus Berlin aufgemacht, vor allem, um Headliner Thorbjørn Risager live zu erleben. Doch bis dahin sollten noch viele heiße Stunden in dieser tropischen Nacht vergehen und einige Kaltgetränke die Kehlen herunterrinnen.
Moderator und Vollblutmusiker Steve Baker erläuterte, warum ein Festival wie dieses eben nicht nur die Aneinanderreihung dreier Gigs ist: „Es geht darum, den Spannungsbogen herzustellen.“ Er muss es wissen, zeichnet Ehefrau Nico mit ihrer eigenen Agentur doch für die Programmgestaltung und Buchung der Bands verantwortlich. Dass „The Wake Woods“ schon Status Quo, Deep Purple oder The Who die Bühne bereitet haben, qualifiziert das druckvolle, dem Sound der späten 60er-Jahre verbundene Trio aus Berlin allein schon als „Opener“.
„Eine geile Location, fast wie eine Waldlichtung – und eine geile Energie“
Ingo Siara, Frontmann von „The Wake Woods“
Die Vernetzung geht, wie sich zeigen sollte, jedoch viel weiter, wie Frontmann Ingo Siara erzählte. Bei der Anreise für die Aufnahmen für das erste Album im Tonstudio in Hannover vor rund acht Jahren sei, Bundesbahn sei Dank, der Mundharmonikaspieler verschütt gegangen. So kam es, dass Steve Baker einsprang und die Blues Harp bei der wunderschön melodischen epischen Ballade einspielte – und an diesem Abend zum ersten Mal überhaupt mit dem Trio live performte. „Er kann es immer noch.“ Recht hatte Siara, der im Anschluss an den Auftritt trotz der anfänglich „nordischen Gelassenheit“ des erst allmählich in Stimmung kommenden Publikums von der Atmosphäre schwärmte: „Eine geile Location, fast wie eine Waldlichtung – und eine geile Energie“, so der Sänger. „Da kommt so viel zurück, dass man nochmal viel besser spielt.“
Diese besagte Energie schlug auch Ryan Sherian und seinem Drummer Ronan Nolan in Form zahlreicher nicht enden wollender Fangesänge und Partystimmung entgegen. Vor der Bühne verteilte Knopflichter für Hände und Ohren, ausgelassenes Tanzen eines erfreulich altersgemischten Publikums – die beiden gut gelaunten Iren, die auch vor „Ohrwürmern“ wie einem Cover der hymnischen „Seven Nations Army“ der White Stripes nicht zurückschrecken, einen dabei Jung und Alt in der Begeisterung für das Event.
Bläsersoli begeistern bis weit nach Mitternacht
Dabei haben die beiden Iren mit ihren eingängigen radiotauglichen Melodien, der stark rhythmisierten Gitarre und druckvollen Drums - Nolan gibt alles und japst nach den ersten drei Upbeat-Songs bei noch 30 Grad auf der Bühne gekonnt dramatisch, „I´m fine, wir sind Profis“ - schon bei Paul Simon, Brian Adams, Taylor Swift, Simply Red oder sogar beim offiziellen Staatsbesuch des damaligen US-Präsident Barack Obama aufgespielt und liefern auch an diesem Abend mit Charme, Spielfreude und Publikumsnähe ab.
Das gilt auch für die letzte Band an diesem Abend: Das siebenköpfige Ensemble „Thorbjørn Risager“ aus Dänemark wird dem Motto „Blues & Roots“ am ehesten gerecht – wobei auch ein erdiger, dreckig hingelegter Boogie Woogie und die fetten Bläsersoli von Trompete und Tenorsax begeistern. Weit nach Mitternacht hat so mancher Besucher, ob mit Harley-Davidson- oder Nirvana-T-Shirt, ein heimliches Luftgitarrensolo hingelegt, lautstark mehr oder minder bekannte Refrains mitgegrölt – oder einfach nur am Biertisch gesessen und das Festivalambiente genossen. Und das bei fairen Preisen, engagierten und zuvorkommenden Helfern und drei gut aufgelegten, hörenswerten Bands – mehr geht wohl kaum.
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