Lückenhafte Hilfe für Opfer häuslicher Gewalt

Neue Horizonte: Frauenhäuser können einen Ausweg aus toxischen Beziehungen weisen

Neue Horizonte: Frauenhäuser können einen Ausweg aus toxischen Beziehungen weisen

Der Europarat hat 2006 einen Standard festgelegt, den Deutschland seitdem kontinuierlich unterläuft: Auf 7500 Einwohner soll ein Platz in einem Frauenhaus kommen. Das wäre im Sinne effizienten Opferschutzes bedarfsgerecht.

Obwohl die Bundesrepublik sich in der Istanbul-Konvention verpflichtet, der Vorgabe aus Straßburg zu genügen, fehlen aktuell fast 3.900 Schutzplätze. In der Pandemie, in der viele Frauenhäuser ihr Platzangebot nochmals reduzieren mussten und das Ausmaß häuslicher Gewalt laut erster Studien zunimmt, wirkt sich dieser Mangel fatal aus. Das ist das Ergebnis einer von der Böhme-Zeitung unterstützten deutschlandweiten Correctiv-Recherche.

Hilfesystem mit Nord-Süd-Gefälle

Bei den Schutzplätzen gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern und ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Allein Bremen und Berlin erfüllen die Vorgaben des Europarats. Der dritte Stadtstaat Hamburg schlittert mit 0,98 Plätzen auf 7500 Einwohner nur knapp am Ziel vorbei. Unter den Flächenländern schneiden Schleswig-Holstein mit 0,94 und Niedersachsen mit 0,93 am besten ab. Schlusslichter sind Sachsen, Bayern und das Saarland. Dort existieren jeweils nicht einmal halb so viele Plätze wie gefordert.

Genügend Plätze im Frauenschutzhaus Walsrode

Im Heidekreis stellt sich die Situation stabil dar, obwohl die rechnerisch gebotene Zahl von knapp 19 Schutzplätzen deutlich unterschritten wird. Das geht aus Daten hervor, die die Landesregierung als Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünenfraktion herausgegeben hat und die von Correctiv niedersachsenweit ausgewertet wurden. Das Frauenschutzhaus in Walsrode gehörte demnach zu den wenigen Einrichtungen im Land, die 2020 durchgehend freie Plätze anbieten konnten.

Das bestätigt auch Frauke Flöther, die Vorsitzende des Trägervereins Frauen helfen Frauen. „Wir sind vor drei, vier Jahren umgezogen, haben uns etwas vergrößert und jetzt auch einen schönen Garten. Wir sind sehr zufrieden mit dem, was wir haben.“

Ungewisses Schicksal abgewiesener Frauen

Andere Frauenhäuser in Niedersachsen leiden dagegen an Platznot. „Wir vermitteln jedes Jahr mehr Frauen weiter, als wir aufnehmen können“, berichtet zum Beispiel Nicole Reinert, Leiterin des Frauenhauses in Peine. Wobei das mit dem Weitervermitteln nicht immer gelingt, wie Mitarbeiterinnen aus Frauenhäusern in ganz Deutschland in einer vertraulichen Correctiv-Umfrage berichten. Die Hälfte von ihnen gibt an, dass Frauen „in den meisten Fällen“ an andere Häuser vermittelt werden konnten. Was aus den anderen wurde, ist oft nicht bekannt.