Der Schäfer gehört zum Heideblütenfest
Steffen Schmidt ist gut gelaunt. Aus seinem graumelierten Dreitagebart heraus lacht er seinen Gesprächspartner an. Wenn er über seinen Beruf spricht, dann sprüht sein Tatendrang regelrecht aus ihm heraus.
Der gelernte Arbeits- und Beschäftigungstherapeut ist Schneverdingens neuer Schäfer im Camp Reinsehlen, er hat zu Jahresbeginn die Schäferstelle von Günther Beuße übernommen. Schmidt, der gemeinsam mit seiner Frau Wiebke die Schnucken betreut, ist sich der Größe der Fußstapfen bewusst. Ähnlich wie der 45-Jährige ist auch Wiebke Schmidt-Kochan (38) als studierte Betriebswirtin eine Quereinsteigerin. Sie hat ihre kaufmännische Karriere für ein harmonischeres Leben an den Nagel gehängt, er hat als Therapeut mit Tieren gearbeitet und festgestellt, dass hier seine Zukunft liegt. Beide betreiben die Schäferei aus Passion.
Die Familie wohnt im Camp Reinsehlen in einer Kate – „leider nicht direkt am Schafstall“, lässt er mehr Optimismus auf Veränderung als Wehmut durchschimmern. Denn für die Schmidts wäre die unmittelbare Nähe zur Herde ideal. „Während der Lammzeit muss man eigentlich ständig bei der Herde sein.“ Doch es gebe auch noch andere Gründe, dass ein Schäfer nah bei seiner Herde sein sollte, etwa Vandalismus, erinnert Steffen Schmidt daran, dass andere Schäfer schon mit Zündelei und anderen unangenehmen Erfahrungen zu tun hatten.
Seine beiden Herden grasen auf verschiedenen Flächen des VNP und der Stadt Schneverdingen, unter anderem im Camp Reinsehlen. Dort befindet sich auch einer von Schmidts Schafställen.
Schmidt war zuvor Wanderschäfer mit weit mehr als 1000 Tieren im Sächsischen. Das Geschäft sei immer schon schwierig gewesen, sagt Schmidt. „Aber 2018 hatten wir nach der Dürre eine regelrechte Futternot und dann brach auch noch der Markt für Lammfleisch zusammen“, erklärt der Schäfer, weshalb er seine Zelte bei Chemnitz abgebrochen hat. Er habe vorher sein Einkommen primär über das Lammfleisch bezogen, jetzt sei die Lage seiner Familie sehr viel komfortabler.
Natürlich und authentisch soll die Schäferei sein
Von Turbomast mit Zufütterung halten die Schmidts wenig. „Wir betreiben jetzt primär Landschaftspflege in der Heide, so habe ich meinen Beruf eigentlich immer verstanden“, ist Schmidt über die neue Situation froh. Er wolle die Schäferei im ursprünglichen Sinne betreiben, natürlich und authentisch. „Wir gehören nicht der Höher-schneller-weiter-Fraktion an.“
Und über noch etwas freut sich der Schäfer: „In Sachsen mussten wir das Thema Landschaftspflege immer erklären, in der Heide aber ist das schon fast Allgemeingut.“ Auch wenn es manch Einheimischer als bloßes Hin- und Hertreiben von Schafen für touristische Zwecke sehe, fügt seine Frau Wiebke bedauernd an. Vereinzelt gibt es wohl auch Kritik an der traditionellen Heidepflege. Doch Schmidts ficht das nicht an.
Die Schnucken werden zielgerichtet über die Flächen gelenkt. „Die Tiere können dabei wählen zwischen dem, was wächst“, erklärt Steffen Schmidt. Dennoch müsse man darauf achten, dass die pflegerischen Ziele erreicht werden. Zurzeit machten sich die Schnucken über Pilze her. „Dabei essen sie genau das, was uns auch gut schmeckt – und sie sind schnell“, lacht der Schäfer.
Während Beuße in der Heideblütenstadt eine Institution und nach fast 50 Jahren Dienst weit über die Region hinaus bekannt war, ist Schäfer Schmidt in der Öffentlichkeit Schneverdingens noch nicht recht wahrnehmbar. „Das Lämmerzählen musste ausfallen, kein Heideblütenfest, keine Schäferabende, keine Touristen“, hatten die Schmidts tatsächlich noch gar keine Chance zur Außendarstellung.
Nutzen konnte das Schäferpaar die Zeit trotzdem recht gut. Eingewöhnen und die Umgebung kennenlernen. In Lüneburg und Hamburg waren sie schon mit ihren Jungs Moritz und Jakob, die Wiebke Schmidt-Kochan mit in die Patchworkfamilie eingebracht hat. Den Schäferhof in Neuenkirchen und Niederhaverbeck haben sie sich auch schon angesehen.
Ansonsten steht aber die Pflege der Schnuckenherde und die Pflege der Heide im Vordergrund. „Und da ist einiges liegen geblieben“, hat Schneverdingens neuer Schäfer bereits einen guten Eindruck von den Flächen. Vor allem in den Randbereichen drohe die Heide zuzuwuchern, stehe zum Teil auch Enkusselung an. Sein Vorgänger sei wohl gesundheitsbedingt nicht mehr auf alle Flächen hingekommen.
Schmidt will Kurse zur Wollverarbeitung anbieten
Für die Außendarstellung hat Steffen Schmidt auch schon einige Ideen entwickelt. Er würde gerne am Festumzug des Heideblütenfests teilnehmen. „Der Schäfer gehört doch wohl dazu“, zeigt Schmidt nicht nur in dieser Frage nachhaltiges Engagement. Wie er sich das vorstellt, will er aber noch nicht verraten.
Ab dem kommenden Jahr will Schmidt zudem Kurse für die richtigen Verarbeitung von Schnuckenwolle anbieten. Erstes Interesse habe es bereits gegeben. Vielleicht sei da auch eine Zusammenarbeit mit Spinn- und Filzgruppen denkbar. Für weiteren Kontakt zu den örtlichen Vereinen und Familien soll außerdem ein spezieller Grill sorgen, den man für private oder Vereinsfeiern buchen könne. Das Fleisch will er selbst vermarkten.
Das Schäferpaar freut sich auf das Ende der Coronazeit und viele neue Bekanntschaften. Die Söhne haben da schon was voraus. Beide spielen Fußball im Verein – einer in Wintermoor, einer beim TV Jahn. „Dass da eine gewisse Rivalität zu bestehen scheint, haben wir schon mitgekriegt“, sorgt die Mutter für Heiterkeit in der guten Stube der Schäferkate.
Steffen Schmidt hat einen Vertrag über 15 Jahre unterschrieben. Aber er und seine Frau Wiebke sind sich einig: „Wir sind gekommen, um zu bleiben.“